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Bonsai

Donnerstag, 29. Dezember 2011
(Sächsische Zeitung)

DORFHAIN

Landschaft in der Schale

Von katrin Ermel

Fernöstliche Gartenkunst lässt die heimische Natur in Kleinformat erscheinen. Doch der Bonsai ist mehr als nur ein Baum.

Dicht gedrängt stehen die Bonsai-Pflanzen in ihrem Winterquartier. Horst Klaußner hat sie alle in sein Gewächshaus gebracht, wo sie vor Kälte geschützt sind. Die rund zweihundert Bäume zieren im Sommer das Außengelände des begeisterten Hobbyzüchters in Dorfhain. Von November bis März sitzt der 66-Jährige nun wieder gern in seinem Wintergarten. Dort sind die Wände von hübschen Zimmerbonsais gesäumt, die viel Pflege brauchen. „Das ist gar nicht so einfach“, erklärt er. Durch die wenige Erde benötigen die Pflanzen einerseits häufiger Wasser, andererseits können sie auch nicht zu viel aufnehmen.

Der Begriff Bonsai kommt aus dem Japanischen und bedeutet Anpflanzung in der Schale. Ursprünglich geht er aber auf die alte chinesische Gartenkunst zurück, welche die Landschaft in der Schale abbildet. Doch dahinter steckt noch mehr. Nach fernöstlichem Verständnis ist Bonsai die Kunst, eine Harmonie herzustellen. Die belebte Natur, die Elemente der Natur und der Mensch selbst sollen in dieser Miniaturform in Einklang stehen. Dabei symbolisiert der Baum die Natur, ein Stein und feiner Kies bilden die Naturkräfte ab. Die Pflanzschale steht für das Werk des Menschen. „Ein einziger Baum kann einen ganzen Raum harmonisieren“, bestätigt auch Horst Klaußner.

Dennoch hat er sein eigenes Verständnis für die Bonsai-Kultur entwickelt. In Europa wird der Bonsaibaum vor allem ästhetisch eingesetzt und weniger mit der dahinter stehenden Philosophie verbunden. Für Klaußner liegt die Freude zwischen den beiden Auffassungen. Seit seiner Kindheit fühlt der gelernte Rundfunkmechaniker eine tiefe Verbundenheit zur Natur. Er liebt die Vielfältigkeit der Landschaften, hat Respekt vor allem Leben. Die Eingriffe des Menschen in diesen Lebensraum sind ihm oft zu viel. Die Natur so authentisch wie möglich abbilden, das sei sein Ziel und mache das eigentliche Hobby daran aus.

Früchte behalten Originalgröße

So verwundert es nicht, dass Horst Klaußner im Forstbetrieb bereits bekannt ist. Kleine Bäume, die bei der Mahd beschädigt oder von Rehen angefressen wurden, landen oft bei ihm. Was der Förster entsorgen muss, findet bei Klaußner zu neuem Glanz – im Miniaturformat. Denn alle verholzenden Baum- und Straucharten eignen sich zur Bonsaizucht. Von der 20-Zentimeter-Tanne bis zur heimischen Sauerkirsche reicht Klaußners Repertoire.

„Das Lustige ist, die Bäume sind zwar klein, aber die Früchte haben ihre Originalgröße“, erzählt der Züchter schmunzelnd. So glaubten einige Besucher an einen Scherz, als Klaußner im Sommer einen Mini-Sauerkirschbaum in der Hand hielt, an dem vier große Kirschen prangten.

Allerdings ist es ein langer Weg vom Steckling zum Bonsai. Je nach Art des Gehölzes können Jahre vergehen, bis die kleine Landschaft fertig ist. Eine neue Pflanze erhält von Klaußner zunächst einen Wurzel- und dann den Formschnitt. Auch die kleine Schale muss genau nach der Art des Bonsai ausgesucht werden. Manche müssen flach und breit, andere schmal und hoch angelegt werden. Horst Klaußner fertigt inzwischen seine Pflanzschalen teilweise selbst. Gebrannt und glasiert werden sie beim Fachmann.

Im Jahr 1985 begann der Züchter mit seinem grünen Hobby. „Ich musste damals Löcher in die Futternäpfe von Kaninchen bohren, weil es keine solche Pflanzschalen gab“, erinnert sich Klaußner. Auch an Fachliteratur mangelte es in der ehemaligen DDR. Als ein Bekannter von seinem Besuch aus Westdeutschland die Visitenkarte eines Bonsai-Züchters mitbrachte, zögerte Klaußner nicht. Er schrieb ihn an und erhielt so Literatur und viele Tipps. Nach der Grenzöffnung reiste Klaußner zu seinem Brieffreund. Bis heute hält das Hobby die beiden Familien eng verbunden.

Damit der Bonsai die gewünschte Wuchsform erhält, werden die Äste mit einem Aluminiumdraht umwickelt und sanft in Form gebogen. Dann heißt es warten und pflegen. Bis Klaußner die komplizierte Pflege gut handhaben konnte, gingen einige Pflanzen ein. Heute weiß er, welche Arten sich wofür eignen. „Einem Anfänger empfehle ich dickblättrige Pflanzen der Crassula-Gattung.“ Diese Sukkulenten können mehr Wasser speichern, vertragen die trockene Heizungsluft besser und sind nicht so anfällig.

Als Geschenk bedingt geeignet

Der größte Feind der kleinen Kunstwerke sind Läuse. Vor allem im Winter muss Klaußner gegen die Schädlinge kämpfen. Da haben es Pflanzen im Gewächshaus leichter. Lediglich einmal im Monat müssen sie gegossen werden. Unruhig wird Klaußner erst bei länger als drei Wochen andauerndem strengen Frost. „Dann ist der Boden so durchgefroren, dass er kein Wasser mehr aufnehmen kann“, erklärt er. Doch letztendlich kann er in dem Fall nichts tun, außer auf wärmeres Wetter hoffen. Eine Heizung im Gewächshaus vertragen nämlich die Blätter der Pflanzen nicht.

Bonsaibäume können mehrere hundert Jahre alt werden – genau wie ihre Artgenossen in Großformat. „In China werden die Bonsais über Generationen weiter vererbt“, erzählt Klaußner. Das Alter macht sie sehr wertvoll. Exemplare, die mehr als zehntausend Euro kosten, hat Horst Klaußner schon zu Gesicht bekommen. Als Geschenk sei so ein Bäumchen nur geeignet, wenn der Beschenkte weiß, worauf er sich einlässt, rät der Züchter und verweist auf die Intensität der Pflege. Ist die aber gut, so kann einem die Landschaft in der Schale ein Leben lang Freude bereiten.

SZ vom 29.12.2012 - Bonsai Horst Klausner - Dorfhain

In seinem Wintergarten züchtet Horst Klaußner viele verschiedene Bonsaibäume: Ein Dreierstamm Myrthe (links), ein Wäldchen Zimmerzypressen (r.) oder eine Coprosma (Mitte) in Besenform. Was so schön aussieht, braucht aber intensive Pflege.Foto: Katrin Ermel

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